Alles gut, oder doch nicht? Glück ist immer auch Ansichtssache

Eckart von Hirschhausen macht medizinisches Kabarett. Weil lachen gesund ist und Humor den Trotz untergräbt, der Veränderung verhindert. Mit seinem Programm „Glücksbringer“ holte er die Positive Psychologie auf die Bühne. Den Blickwinkel zu wechseln hat er trainiert. Als Arzt fragt er sich: Warum werden manche nicht krank? Kann ich von ihnen lernen? Als Komiker: Was ist an der Jagd nach Glück freiwillig oder unfreiwillig komisch? Als Journalist: Wenn ich den 100. Artikel über Glück lese, was würde mich verblüffen? 

1. Menschen sind nicht gerne glücklich

Menschen sind gern glücklich? Da hab ich als Arzt ganz andere Erfahrungen. Hypochonder zum Beispiel – denen geht es nicht gut, wenn es ihnen gut geht. Masochisten tut es weh, wenn der Schmerz nachlässt. In einem Experiment wurde Schmerz erzeugt, indem die Probanden ihren Arm in kaltes Wasser tauchten, in zwei Varianten, kurz oder lang. Entweder eine Minute bei 14 Grad oder erst eine Minute bei 14 Grad und dann weitere 30 Sekunden, in denen das Wasser aber um ein Grad erwärmt wurde. In der Wiederholungsrunde durften die Versuchspersonen ihre Qual wählen und entschieden sich zu 80 Prozent für die längere Qual, die am Ende ein bisschen erträglicher wurde! Offenbar lieben wir Schmerz, der nachlässt, mehr als neutrale Gefühle. Das erklärt auch, warum Frauen so gern Schuhe kaufen, die einen Tick zu eng sind, für den kontrollierbaren Glücksmoment am Abend, wenn der Schmerz beim Ausziehen weniger wird. 

2. Das Ziel der Natur war nie, uns glücklich zu machen

Wir sind nicht auf der Erde, um glücklich zu sein. Das Ziel der Evolution war immer: überleben. Glücksmomente sollen uns antreiben, unsere Überlebenschancen zu verbessern. Deshalb macht Essen Spaß. Deshalb macht Sex Spaß. Deshalb macht es auch Spaß, etwas dazuzulernen. Aber macht uns irgendetwas auf Dauer glücklich? Nein – es wäre der Tod! Hätten unsere Vorfahren nach erfolgreichem Mammutjagen und einer guten Höhlenorgie für immer Glück empfunden, wären sie das leichteste Opfer des Säbelzahntigers geworden. Wir überleben, weil Glück vorbeigeht und wir weiterlernen. Kein Mensch ist dazu verdammt, dauerhaft glücklich zu sein. Das ist eine frohe Botschaft. 

3. Es gibt viele richtige Entscheidungen für Dich, nicht nur eine 

Kein anderer Mensch ist dafür da, dich glücklich zu machen. Die romantische Idee, dass es den einen Richtigen gibt, den du nur finden musst, damit das Glück auf Dauer garantiert ist, macht die Menschen seit Jahrhunderten nur eins: unglücklich! Mal ehrlich: Wie wahrscheinlich ist es, unter sechs Milliarden Menschen den einzig Richtigen zu finden – innerhalb der ersten 80 Lebensjahre? Weil es Perfektion nicht gibt, wir sie aber trotzdem erwarten, halten wir den Partner, den wir womöglich gerade haben, fest – und suchen heimlich weiter. Es gibt Leute, die können nicht bestellen, bevor sie die ganze Speisekarte durchgelesen haben, und die dann noch diskutieren, ob man Menü 3 auch mit der Vorspeise von Menü 1, aber den Nachtisch aus der Tageskarte bekommen kann, aber alles ohne Zwiebeln. Egal was dann kommt: Sie werden unzufrieden sein. Andere lesen die Karte nur bis zu einem Drittel durch und entscheiden sich dann für das Nächste, was sie anlacht. Sie machen die Karte zu und wollen nicht wissen, was es noch gegeben hätte. Das Gleiche gilt in einer Beziehung! Nach einem Drittel des Lebens hast du einen ganz guten Überblick, was es gibt. Viel besser wird es nicht! Wenn dein aktueller Partner nicht unter dem Durchschnitt der letzten drei Beziehungen liegt, sondern irgendwo zwischen 60 und 80 Prozent, ist das perfekt! Eine schlechte Entscheidung ist oft besser als gar keine. 

4. Shit happens!

Mal bist du die Taube, mal das Denkmal. Glück kommt und geht. Unglück auch. Aber im Unglück denken wir automatisch: Das bleibt jetzt für immer so. Eine der schönsten Nachrichten aus der Trauma-Forschung ist doch, dass über 80 Prozent der Menschen, die brutale Schicksalsschläge erleben, gut damit klarkommen. Es braucht eine Zeit, aber die Betroffenen sind zwei Jahre später nicht dauerhaft beeinträchtigt – oft sogar gestärkt durch die überwundene Krise. Unfälle, Krankheit, Trennung und Tod sind Teil des Lebens. Es gibt „das Böse“ auf der Welt – warum weiß Gott oder der Geier. Und ich hoffe inständig, es sind zwei verschiedene Instanzen. 

5. Go for Bronze

Wer ist Ihrer Meinung nach glücklicher? Silber- oder Bronzemedaillen-Gewinner? Richtig: Bronze gewinnt! Glückstechnisch. Nicht das Ergebnis macht uns glücklich oder unglücklich – es ist die Bewertung der Ereignisse, maßgeblich die Frage: Mit wem vergleiche ich mich? Mit wem vergleicht sich der Silbermedaillen-Gewinner? Er schielt nach oben und flucht: Drei Hundertstel und du hättest Gold! Der auf Platz drei denkt: Drei Hundertstel, und du hättest gar keine Medaille! Er ist glücklich, denn er weiß, richtig doof ist Vierter … Erster sein braucht viel zu viel Energie und Erster bleiben ist immer gefährlich. Historischer Beweis: Es wurde noch nie ein Vizepräsident der USA erschossen. Am Ende des Lebens zählt die Karriere nichts, Beziehungen alles. Es hat bisher keiner auf dem Sterbebett gesagt: „Ich hätte mehr Zeit im Büro verbringen sollen!“ 

6. Liebe Dich selbst, dann können die Anderen Dich gern haben

Frauen fühlen sich schlechter, nachdem sie eine Modezeitschrift durchgeblättert haben. Warum? Weil sie sich vergleichen: „Oh Gott, ich seh ja gar nicht so aus!“ Was für eine Überraschung. Es ist normal, kein Supermodell zu sein. Und unter uns: Ich war schon mit solchen Top-Schönheiten in Talkshows eingeladen und habe die vor und in der Maske gesehen. Was da mit denen gemacht wird – dafür kommt jeder Gebrauchtwagenhändler in den Knast! Männer vergleichen sich nicht mit den Typen aus „Fit for Fun“. Wenn sie Zweifel an ihrem Körper haben, gehen sie nicht an den Kiosk, sondern in die Sauna. In der Sauna siehst du Menschen ungeschminkt. So wie Gott sie schuf und wie MacDonald’s sie formte. Es ist auch normal, über die Lebensspanne zuzunehmen: Ich hab mal drei Kilo gewogen! Wie steht eine Frau vor dem Spiegel? Immer in Bewegung. Sie lässt nicht locker, bis sie etwas entdeckt, das nicht perfekt ist. Liebe Frauen, in dem einen Punkt könnt ihr was von uns Männern lernen. Wir zerfleischen uns nicht so in Selbstkritik. Wie steht ein Kerl vor dem Spiegel? Frontal, regungslos und kurz. Nach zwei Sekunden ist er mit sich im Reinen – passt schon. Natürlich hat ein Mann irgendwann auch einen Bauchansatz. Aber kein Mann ist so doof und dreht sich vor dem Spiegel ins Profil! 

7. Wenn Du wirklich was für Dich tun willst, tu was für andere

Wir können uns nicht selbst kitzeln. Denn bevor sich meine Finger an meiner Seite bewegen, ist mein Hirn vorgewarnt. Es fehlt einfach die Überraschung. Ähnlich wie beim Sex, immer nur allein – irgendwann fehlt die Überraschung und du denkst: Okay, das hab ich jetzt kommen sehen. Sinnlichkeit miteinander zu teilen macht mehr Spaß als allein. Glück auch. Glück kann man sogar verschenken, ohne es selbst vorher gehabt zu haben! Und jemand anderen glücklich zu machen und glücklich zu sehen, bringt viel mehr als den eigenen Bauch zu pinseln. Dafür haben wir sogar Nervenzellen im Kopf, die Spiegelneuronen. Lachen steckt an, also umgib dich mit lebensfrohen Leuten. Mach um die Menschen, die dir gut tun, einen roten Kringel im Adressbuch und werde selbst zu einem roten Kringel für andere. Naturtalente der guten Laune kommen und verbreiten positive Stimmung, egal wo sie auftauchen. Und andere Naturtalente verbreiten gute Laune, egal wo sie weggehen. Lache – und die Welt lacht mit dir. Schnarche und du schläfst allein!

Foto: Tim Ilskens

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